„Entspannen Sie sich, wir wissen, dass Grammatik nie das Fach der Herzen war – auch für uns nicht!“ So (oder so ähnlich) beginnen meine werte Kollegin Katrin Beckers und ich in der Regel unsere Grammatik-Seminare am LuF Germanistische Sprachwissenschaft der RWTH Aachen. Allerdings haben wir den heimlichen (und jetzt nicht mehr heimlichen) Anspruch, genau diese Einstellung bei unseren Studierenden zu ändern. Manch eine oder einer mag sagen wollen, dies käme der Quadratur des Kreises gleich – unsere Erfahrungen sind aber ganz andere: Dies zeigt sich in den vielen exzellenten und spannenden Hausarbeiten der letzten Semester, die jedes andere thematische Seminar an Facettenreichtum um Längen schlagen, ischwör!
Warum das so ist? Grammatik, verstanden als Grammatik-Theorien, aber auch als phonologische, morphologische und syntaktische Beschreibungsebene, ist als umfangreiches formales und funktionales Analyseinstrumentarium die Basis für zahlreiche ‚moderne’ Forschungsfelder der Linguistik – ohne geht es eben nicht oder kaum vollständig. Das ist der Vorteil, wenn man sich im Thema Grammatik wohl fühlt, aber auch der Grund für den schlechten Ruf der Grammatik. Außerdem ist nicht zu vernachlässigen, dass Grammatik auf den Lehrplänen der weiterführenden Schulen steht, deshalb müssen angehende Deutsch-Lehrerinnen und -Lehrer an der RWTH ein entsprechendes Seminar belegen. Angehende Lehrkräfte müssen Grammatikkenntnisse nicht leidlich irgendwie können, sie müssen die absoluten Experten sein – das ist unser Eigenanspruch an unsere Grammatik-Seminare und die Absolventen. Uff, Ansprüche sind dazu da, um an ihnen zu scheitern! Um an unserem Anspruch möglichst knapp zu scheitern, haben wir ein neues Seminarmodell entwickelt, das sich vor allem durch zwei Merkmale auszeichnet: Nach dem ersten Teil, in dem die linguistischen Grundlagen der klassischen grammatischen Beschreibungsebenen und ausgesuchte Grammatiktheorien (Valenz- bzw. Dependenzgrammatik, Stellungsfeldermodell und Phrasenstrukturgrammatik) vermittelt und an Beispielen kritisch reflektiert wurden, erarbeiteten die Studierenden im zweiten Teil des Semesters in Kleingruppen mediale Vermittlungsformate – Blended Learning!
Am 17.7.2015 findet an der RWTH Aachen (LuF Germanistische Sprachwissenschaft) eine Studierendentagung statt, bei der die Studierendengruppen die erarbeiteten Formate vorstellen und diskutieren: Grammatik verstehen und vermitteln. Die Wahl der Themen, der Formate und die Adäquatheit der Vermittlung kann sich sehen lassen: Wir hatten schon das Vergnügen, manche Formate zu begutachten – es wurde sehr gut und mit Spaß am Grammatik – wer hätte DAS gedacht!!! – gearbeitet! Zudem konnten wir Prof. Jörg Kilian (Christian-Albrechts-Universität zu Kiel) für einen eröffnenden Vortrag zum Thema Grammatik in der Schule gewinnen.
Interessierte finden hier den Flyer und das Programm der Tagung. Sollten Sie Interesse haben, melden Sie sich bitte an unter:
k.beckers@isk.rwth-aachen.de oder f.schilden@isk.rwth-aachen.de
Demnächst werden wir das Semester hier nochmal mit etwas mehr Distanz reflektieren, bislang sind wir sehr zufrieden mit dem Format, aber vor allem mit dem Engagement der Studierenden! Ob Grammatik das Fach der Herzen werden wird, wer weiß das schon, aber vielleicht konnte die Grammatik durch das Seminar die Abstiegsränge verlassen und kann im weiteren Studien- und Berufsleben der Teilnehmenden um die Champions-League-Plätze mitspielen. Schön wär´s.