Bastian Sick, die Indianer – und eine wirklich gute Sache!

Helau, Allaaf und Aloha aus Aachen! Es ist Altweiber (oder wie auch immer man den Tag des Übergangs vom Sitzungs- zum Straßenkarneval nennen mag – in Aachen Fettdonnerstag …), Närrinnen und Narren verkleidet euch! Als Kind (Ender der 80er, gegen Anfang der 90er, *schluck*) waren die meisten meiner Mitschülerinnen und -schüler bzw. die anderen Kindergartenkinder zumeist als Cowboy und -girl und/oder Indianer bzw. Indianerin verkleidet. Ich war Marienkäfer, auch ganz cool, nicht. Wie ich darauf komme? Ich muss ausholen: Ich habe den Tag nicht mit Karnevalsfreu(n)den verbracht, stattdessen habe ich mich für eine Auseinandersetzung mit Kopperschmidts Ausführungen zu Begründungssprachen entschieden. Der Effekt ist vermutlich vergleichbar: Ich werde morgen Kopfschmerzen haben. Um mein Hirn ein wenig zu vergnügen – vergnügte Hirne lernen besser, danke liebe Katrin – , habe ich mich durch das Netz geklickt und bin mal wieder bei Bastian Sick hängengeblieben. Bastian Sick versteigert momentan einen handgeschriebenen Zettel bei Ebay, auf dem er in Schreibschrift für die Erhaltung der Schreibschrift auf dem Lehrplan in Grundschulen plädiert. In diese Diskussion will ich mich hier nicht einmischen, ich verstehe beide Positionen irgendwie (Kopperschmidt, Begründungsprachen, egal.). Jetzt komme ich wieder zu den Indianern und Indianerinnen. Der Sick´sche Zettel endet mit dem Absatz:

Wie soll er als Kunde je einen Vertrag unterschreiben oder als Star Autogramme geben? Mit drei Kreuzen, so wie einst die Indianer?

Eine kleine Bemerkungen, bevor es mir um die Indianer und Indianerinnen geht: Dieser Absatz zeigt wunderbar, warum es sinnvoll ist, über geschlechtergerechten Sprachgebrauch zu reflektieren, bevor man losschreibt (es sei denn, Sick meint hier tatsächlich nur männliche Menschen, das wär allerdings noch schlimmer): Sick nutzt das Pronomen er, allerdings ohne vorher ein Bezugswort für die Proform zu formulieren, es existieren nur die (Pro-)Formen Wer und der und dann das Er. Gefangen im Maskulin. Aber stilistisch auf dem Zettelchen schon irgendwie schön.

Jetzt zu den Indianern: Ich hatte am 10.7.2013 das große Vergnügen einen großartigen Vortrag von Prof. Dr. Peters Schlobinski in Aachen zu hören. Das Thema waren die „Schriften der Welt“. Ich hätte Herrn Sick einladen sollen, er hätte sehr viel gelernt. Es ist bekannt, dass es unterschiedliche Schriftsysteme gibt. Keine natürliche Sprache, bzw. ihre Schrift, kann genuin einem System zugeordnet werden (nein, auch das Deutsche – erst recht – nicht. Nein, AUS!). Eine Großzahl der Sprachen hat sogar gar keine Schrift – das interessiert aber den fortschrittlichen Europäer nicht, so kann ja niemand Verträge unterschreiben, wo kämen wir denn da hin? Die existierenden Schriftsysteme können wiederum aus unterschiedlichen Zeichentypen bestehen. Wenn man einer Sprachgemeinschaft ein Schriftsystem (bspw. eine Alphabetschrift) aufzwängt, das den Basiskategorien des anderen Schriftsystems (bspw. eine Wortschrift oder Ideenschrift) nicht entspricht bzw. bislang eine bloß orale Tradition vorlag (und damit das komplette Sprachspiel des schriftlich fixierten Vertrags als Textsorte nicht bekannt sein kann), dann darf man sich nicht wundern, wenn die betreffenden Schreiberinnen und Schreiber einen Strich durch die Rechnung und Kreuze unter Verträge machen. Das ist erstmal nichts Schlimmes. Schlimm ist, dass das sehr, sehr eng mit ziemlich stumpfer Kolonialisierung zusammenhängt. Ich will es Bastian Sick nicht unterstellen und distanziere mich vom Vorwurf, er schriebe hier aus Versehen kulturchauvinistischen Kram. [Bitte, bitte keine Kommentare, die behaupten, der Zettel von Sick wäre Satire, er ist höchstens unbedacht und nicht ernst gemeint, das ist aber nicht dasselbe wie Satire.]

Sprachkritik und ihr Verhältnis zu Schriften, ich hab´s noch nicht ganz verstanden: Keine Schrift haben – doof, muss geändert werden, von uns. Eigene Schrift soll oberflächlich verändert werden – auch doof, darf nicht geändert werden. Wenn schon Schrift haben – dann bitte die richtige. Die richtige Schrift „falsch“ benutzen – wieder doof.

Aber: Die Auktion endet morgen nachmittags, der Erlös geht an den Bundesverband Alphabetisierung und Grundbildung e. V. – eine sehr, sehr gute Sache Herr Sick, finde ich stark! Ich plädiere hiermit dafür, dass man auf den Zettel viel Geld bietet und ihn dann nie wieder vorzeigt. Ich wünsche allen Lesenden schöne Karnevalstage, viele Küsse, Kamelle, Blumen, Liebe, Sonne und Kuchen!

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