Wieder mal ein Beitrag von mir, der mehr Frage an die kundige Leserschaft denn Klärung einer Sache ist. In den letzten Tagen (und Wochen), also zur WM-Zeit, konnte man ganz oft lesen, wie der Bundestrainer erst „högschde Disziplin“ und „högschde Konzentration“ forderte und dann nach dem großen Erfolg vom „högschden aller Gefühle“ schwärmte. Einer seiner Leistungsträger wird in einem Interview mit den Worten „Der Scheißdregg intressiert mi ned“ wiedergegeben. Auf den ersten Blick ist ganz klar, was die jeweilige Schreibweise in all den Fällen soll: Löw und Müller werden als Dialektsprecher charakterisiert, ja fast vorgeführt. Löw als Alemannisch-Sprecher (er ist kein Schwabe, sondern stammt aus Baden, was für die meisten außerhalb vom „Ländle“ keinen großen Unterschied macht) und Müller als Bairisch-Sprecher (mit ai), also als jemand, dem man anhört, dass er aus Bayern (mit ay) kommt. In beiden sogenannten oberdeutschen Dialekten macht man keinen großen Unterschied zwischen stimmhaften und stimmlosen Verschlusslauten. Insofern wundert es nicht gänzlich, wenn man, um das schriftbildlich einzufangen, b statt p und d statt t – oder auch umgekehrt(!) – schreibt. Trotzdem ist mir nicht ganz klar, warum das g in „högschde“ und das (gar verdoppelte) in „Dregg“ erscheint. Hier wird beim Sprechen nicht im geringsten eine stimmhafte Variante des velaren Plosivs artikuliert. Der Laut ist jeweils am Ende der Silbe, bildet die sogenannte Coda, und da werden diese Laute nicht stimmhaft realisiert. Nicht, wenn ein stimmloses sch [∫] folgt und schon gar nicht im absoluten Auslaut wie bei „Dregg“. Das gleiche gilt eigentlich auch für das d in „ned“ als süddeutsche Version von „nicht“.
Auch wenn man das morphematische Prinzip als ausschlaggebend annehmen möchte – „Lug und Trug“ werden hinten ja auch mit g geschrieben, obwohl man k spricht oder sprechen soll – kommt man der Lösung nicht viel näher. Denn Varianten des alemannischen „hoch“, wo ein g artikuliert würde, finden sich nicht recht; auch der bayerische oder besser bairische „Dreck“ ist schwierig. Beim „Dregg“ könnte man an das Adjektiv „dreckert“ denken und an eine Aussprache, die man schriftlich mit „dreggert“ einzufangen versuchte. In der Tat klingt das Wort nicht so, dass man es unbedingt mit einem k schreiben wollte. Andererseits ist die Aussprache genau wie bei dem häufigeren Wort „nackert“ für „nackt“ oder „nackig“ – aber das schreibt man meist „nackert“ und nicht „naggert“ (sogar im Duden).
Ein Grund für die g- statt k-Schreibung kann die ziemlich schwache, phonologisch-orientierte Rechtschreibregel sein, nach der es ein Prinzip ist, dass die „stimmhaft-weichen“ Konsonatenbuchstaben b, d und eben auch g anzeigen, dass der vorhergehende Vokal lang gesprochen wird. Dieses Prinzip erklärt, beziehungsweise macht begreiflich, warum man „Magd“ und „Jagd“ mit langem a und „Akt“ un d „Pakt“ mit kurzem a spricht, oder „Obst“ und „Krebs“ lang und „Mops“ und „Sekt“ kurz. Es erklärt auch, warum viele Leute gern „Pabst“ schreiben, wenn sie den Stellvertreter Gottes auf Erden meinen. Gerade an diesem vieldiskutierten Beispiel sieht man sehr schön, dass dieses Prinzip durchaus wirkt – ein schwaches und eins mit unzähligen Ausnahmen bleibt es dennoch. Außerdem kommt noch hinzu, dass gerade bei Jogi oft gar kein langes ö wahrgenommen wird, sondern ein kurzes und offenes, denn gar nicht so selten wird beim Persiflieren auch „höggschde“ geschrieben; und die Verdopplung des Konsonanten ist in der deutschen Rechtschreibung ein ganz starkes Indiz für die Kürze des vorausgehenden Vokals – anders als in fast allen anderen Sprachen, wo nämlich der doppelte Konsonant wirklich für einen länger angehaltenen Konsonanten steht.
Also: Viele wird dieses Problem „an Scheißdregg indressiern“, aber die Meinung derer, die eine gute Geschichte dazu haben, ist högschd (oder högscht?) willkommen…
Applaus, Applaus… den Beitrag hab ich gern gelesen… sehr informativ 😉
Nur eine kurze Anmerkung: Du schreibst, dass ein Bairisch-Sprecher aus Bayern kommt. Stimmt so nicht: Der bairische Sprachraum inkludiert auch Österreich (ausgenommen Vorarlberg) 😉
Was hältst du von Bindestrichen?! Hab dazu was geschrieben… schau mal vorbei 😀
Ich denke nicht, dass die Paare g/k bzw. d/t eine Stimmhaftigkeit anzeigen sollen, sondern vielmehr eine Lenis/Fortis Markierung. In den südlichen Dialekten gibt es m.W. gar keine Stimmhaftigkeit. Die Verdoppelung hat dann wohl eher den Sinn, die Qualität des vorangehenden Vokals zu bestimmen, wie es ja auch im Text steht.
Der einzige mir bekannte Dialekt mit „Orthographie-Regeln“ ist das Baseldeutch. Wir brauchen die Regel primär für die Fasnacht. Hier ein Link, der die generellen Prinzipien beschreibt: http://www.basel-deutsch.ch/baseldeutsch_dialektschrift.html
Ich sehe einen weiteren Grund für den Buchstabenwechsel in der fehlenden oder schwach ausgeprägten Aspiration der Plosive p und t im Dialekt.
Das ist nicht nur ein weiterer, sondern sicher der entscheidende Grund (findet jedenfalls ein in Herrn Löws Nachbarschaft lebender, bairisch sprechender Nicht-Linguist und wundert sich, dass ein Linguist diesen Punkt nicht mal erwähnt).
Siehe z.B. auch „Preußen“. Die standarddeutsche Aussprache kennt nur das aspirierte „P“ oder das „B“, nicht aber das nicht aspirierte „P“. „Breissn“ als Schreibweise für die bairische Version ist deshalb erstmal genauso falsch wie „Preissn“.
(Für die Schreibweise „Preissn“ spricht allerdings, dass
1. im Bairischen kein anderes „P“ existiert, sehr wohl aber ein „B“.
2. das der Verwendung in anderen europäischen Sprachen entspricht, z.B. span. „puerto“, „prado“; ital. „porto“, „prato“.)
Anderes gilt natürlich für die fränkischen Dialekte, da gibt es tatsächlich im allgemeinen gar keine harten Konsonanten („gaane haddn Gonsonandn“ wäre dann hierfür eine einwandfreie Schreibweise).